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Aufruf gegen den Abschiebungsbescheid der schwedischen Behörden im Fall von Jasmin Ibragimova

Bereitgestellt von am Wednesday, 16 April 2014.    182 views Kein Kommentar
Aufruf gegen den Abschiebungsbescheid der schwedischen Behörden im Fall von Jasmin Ibragimova

Eine Gruppe von öffentlichen Personen und Menschenrechtsorganisationen hat einen Aufruf gegen den Bescheid der schwedischen Migrationsbehörde, die 4-jährige, kranke Asylbewerberin Jasmin Ibragimova abzuschieben, unterzeichnet.

An Carl XVI Gustaf von Schweden, König von Schweden
An John Fredrik Reinfeldt, Premierminister von Schweden
An Tobias Billström, Bundesminister für Migration und Asylpolitik in Schweden
An Erik Ullenhag, Bundesminister für Integration in Schweden
An Eva Carin Beatrice Ask, Bundesjustizministerin in Schweden
An die Schwedische Einwanderungsbehörde (Swedish Migration Board)

STELLUNGNAHMEN ZUR ENTSCHEIDUNG DER SCHWEDISCHEN MIGRATONSBEHÖRDE,
JASMIN IBRAGIMOVA NACH TSCHETSCHENIEN ABZUSCHIEBEN

Verehrte Majestät!
Sehr geehrter Herr Premierminister!
Sehr geehrter Herr Minister!
Sehr geehrter Herr Minister!
Sehr geehrte Frau Ministerin!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Wir schreiben Ihnen diesen Brief aufgrund einer alarmierenden Situation bei einer asylsuchenden, tschetschenischen Familie, der eine Auslieferung an die Russische Föderation bevorsteht.
Ruslan Ibragimov und seine Frau Zezag Ibragimova verließen Tschetschenien aus politischen Gründen und kamen im Jahr 2009 in Schweden an. Im gleichen Jahr wurde Jasmin geboren und im Jahre 2012 kam ihre Schwester auf die Welt.

Der Asylantrag der Familie Ibragimov wurde abgelehnt. Die Familie ging nach Deutschland und wurde aufgrund der DUBLIN-II-Regelung zurück nach Schweden geschickt.

Letztes Jahr im November 2013 starb das Oberhaupt der Familie, Herr Ruslan Ibragimov an den Folgen seiner Krebskrankheit.

Den anderen Ibragimova-Familienmitgliedern steht nun eine Abschiebung bevor. Wir lehnen diese Entscheidung grundsätzlich ab. Im Folgenden wird erläutert, warum vor dem Hintergrund der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen in Tschetschenien die Abschiebung von Jasmin Ibragimova sowie ihrer Mutter und Schwester nach Tschetschenien lebensgefährlich ist.

Jasmin kam 2009 in einem schwedischen Krankenhaus auf die Welt. Jasmin ist erst 4 Jahre alt und hat bereits folgende Krankenhistorie:

– Sie leidet an einer seltenen Krankheit: Hydrozephalus Internus sowie an Spinal Hernia.
– Sie musste bereits als Neugeborene operiert werden
– Seit ihrer Geburt musste sie mehrmals operiert werden und hat viele Krankenhausaufenthalte hinter sich. Allein in den letzten 6 Monaten waren es 3 Krankenhausaufenthalte.
– Jasmin wurde ein SHUNT gelegt. Im Gegensatz zu den meisten chirurgischen Eingriffen, bei denen das Risiko während des Eingriffs selbst am größten ist, treten mögliche Probleme in Zusammenhang mit dem SHUNT in der Regel später auf.

Dazu die Stellungnahme von Dr. A. Dogan:

Jasmin Ibragimova leidet an Hydrocephalus internus and Spinal hernia. Das ist eine ernsthafte Krankheit und sie muss strengstens behandelt werden, sterile Bedingungen und erfahrene Spezialisten sind erforderlich. Ihr wurde ein SHUNT gelegt, um den Druck auf das Gehirn zu entlasten. Es treten viele Komplikationen im Zusammenhang mit SHUNTS auf..

Aufgrund der unterschiedlichen Komplikationen bei dieser Krankheit und dem SHUNT (Dekubitus, Infektionen, SHUNT-Verstopfung) wäre die Sterblichkeitsrate unterwegs zu hoch, insbesondere bei Komplikationen. Auch sind sterile Bedingungen, erfahrenes medizinisches Personal und qualifizierte medizinische Zentren (insbesondere bei dieser Krankheit) unabdingbar. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, vor Ort zu bleiben und die Krankheit weiterzubehandeln.

Aufgrund dieses – sich zwar bessernden aber immer noch sehr kritischen – Gesundheitszustands ist von einer lebensgefährlichen Deportation nach Tschetschenien abzuraten.

Eine Deportation würde auch ganz klar den Artikeln 22 und 23 der UN-Kinderrechtskonvention widersprechen, welche folgendes besagen:

Artikel 22 (Flüchtlingskinder)

(1) Die Vertragsstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um sicherzustellen, dass ein Kind, das die Rechtsstellung eines Flüchtlings begehrt oder nach Maßgabe der anzuwendenden Regeln und Verfahren des Völkerrechts oder des innerstaatlichen Rechts als Flüchtling angesehen wird, angemessenen Schutz und humanitäre Hilfe bei der Wahrnehmung der Rechte erhält, die in diesem Übereinkommen oder in anderen internationalen Übereinkünften über Menschenrechte oder über humanitäre Fragen, denen die genannten Staaten als Vertragsparteien angehören, festgelegt sind, und zwar unabhängig davon, ob es sich in Begleitung seiner Eltern oder einer anderen Person befindet oder nicht.

Artikel 23 (Förderung behinderter Kinder)

(1) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass ein geistig oder körperlich behindertes Kind ein erfülltes und menschenwürdiges Leben unter Bedingungen führen soll, welche die Würde des Kindes wahren, seine Selbstständigkeit fördern und seine aktive Teilnahme am Leben der Gemeinschaft erleichtern.

(2) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des behinderten Kindes auf besondere Betreuung an und treten dafür ein und stellen sicher, dass dem behinderten Kind und den für seine Betreuung Verantwortlichen im Rahmen der verfügbaren Mittel auf Antrag die Unterstützung zuteil wird, die dem Zustand des Kindes sowie den Lebensumständen der Eltern oder anderer Personen, die das Kind betreuen, angemessen ist.

(3) In Anerkennung der besonderen Bedürfnisse eines behinderten Kindes ist die nach Absatz 2 gewährte Unterstützung soweit irgend möglich und unter Berücksichtung der finanziellen Mittel der Eltern oder anderer Personen, die das Kind betreuen, unentgeltlich zu leisten und so zu gestalten, dass sichergestellt ist, dass Erziehung, Ausbildung, Gesundheitsdienste, Rehabilitationsdienste, Vorbereitung auf das Berufsleben und Erholungsmöglichkeiten dem behinderten Kind tatsächlich in einer Weise zugänglich sind, die der möglichst vollständigen sozialen Integration und individuellen Entfaltung des Kindes einschließlich seiner kulturellen und geistigen Entwicklung förderlich ist.

(4) Die Vertragsstaaten fördern im Geist der internationalen Zusammenarbeit den Austausch sachdienlicher Informationen im Bereich der Gesundheitsvorsorge und der medizinischen, psychologischen und funktionellen Behandlung behinderter Kinder einschließlich der Verbreitung von Informationen über Methoden der Rehabilitation, der Erziehung und der Berufsausbildung und des Zugangs zu solchen Informationen, um es den Vertragsstaaten zu ermöglichen, in diesen Bereichen ihre Fähigkeiten und ihr Fachwissen zu verbessern und weitere Erfahrungen zu sammeln. Dabei sind die Bedürfnisse der Entwicklungsländer besonders zu berücksichtigen.

Selbst wenn sie diese lange Reise überleben würde, hat sie in Tschetschenien keine Überlebenschance, aus folgenden Gründen:

1. Diese Krankheit wird in Tschetschenien grundsätzlich nicht behandelt, sie ist dort schlichtweg nicht bekannt.

2. Eine Behandlungsmöglichkeit gäbe es vermutlich in Moskau, aber bei Komplikationen wäre eine lange Reise nach Moskau lebensgefährlich. Und bis dato ist nicht bekannt, ob diese Art von SHUNTS in Moskau verwendet werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass eine Behandlung in Moskau dennoch nicht gewährleistet werden kann. Krankenhäuser in Moskau behalten es sich vor, Patienten abzulehnen, wenn sie keine Betten übrig haben oder bei unzureichenden finanziellen Mitteln. Hier ein Auszug aus dem Artikel „Der Krieg hat zu einem Anstieg von Krebsraten in Tschetschenien geführt“ (Übersetzt aus dem Englischen):

„In Tschetschenien konnten sie ihn nicht diagnostizieren. Auf dem Weg hat sich der Zustand von meinem Sohn dramatisch verschlechtert und wir wurden zu einem Krankenhaus in Kostroma, Russland gebracht. Wie auch immer, alle Anfragen der Ärzte wurden in Moskau abgelehnt. Sie sagten, es gibt keine Kapazitäten mehr und die Kosten könnten wir ohnehin nicht tragen.“

3. Sehr viele Fälle in Tschetschenien beweisen: das Gesundheitssystem ist dermaßen korrupt, dass eine überlebenswichtige, kontinuierliche und zuverlässige medizinische Behandlung nicht möglich wäre. Auszug aus dem Artikel „Tschetschenien: Schule der Korruption“ (Übersetzung aus dem Englischen):

„Mit Geld kann man sich einen medizinischen Abschluss erkaufen, auch wenn man noch nicht einmal eine Injektion verabreichen kann. Man kann auch eine hohe Position bei Kliniken oder Krankenhäusern antreten, so dass es einfach nie erforderlich wäre, Injektionen zu verabreichen. Man wäre dann in der Verwaltung.”

Neben der gesundheitlichen Situation ist ein weiterer Faktor, der den Aufenthalt von Jasmin in Tschetschenien gefährdet, die Tatsache, dass dort seit 1999 immer noch ein Krieg herrscht. Eine Pro-Moskau-Regierung respektiert noch nicht einmal einfachste Menschenrechte, wie in Russland.

Da die Mutter von Jasmin in der Opposition politisch aktiv war, bevor sie aus Tschetschenien floh, ist eine politische Verfolgung höchstwahrscheinlich – dies kann jeden vorstellbaren Ausgang haben.

Zudem ist die Mutter von Jasmin alleinerziehend, mit einer 4-jährigen pflegebedürftigen sowie einer 2-Jährigen Tochter. Die Arbeitsmarktsituation ist sehr schwierig. Mrs. Benedict Berne, Stellvertretende Vorsitzende der Menschenrechtsverteidiger in Schweden, war im Mai/Juni 2012 in Tschetschenien, um die aktuelle Lage zu bewerten. Sie gibt an, dass die Arbeitslosigkeit bei 60 – 70% liegt, Menschen wirklich arm sind und die Korruption sehr hoch ist. Die Mutter Zezag Ibragimova hat keine Chance, ihre Kinder angemessen zu unterstützen.

In einer ähnlichen Angelegenheit wurde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bei einer androhenden politischen Verfolgung gegen die Abschiebung der Familie „I“ in SCHWEDEN entschieden, siehe dazu folgendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte:

CASE OF I v. SWEDEN / Application no. 61204/09

All diese Faktoren zusammengenommen zeigen eindeutig, dass eine Lebensgrundlage in Tschetschenien nicht gegeben ist. Die Gefahren, eine alleinerziehende Frau zu sein ohne Aussicht auf eine Arbeit, die entsprechende medizinische Behandlung nicht gewährleisten zu können, damit eine unmögliche Ausgangssituation für Jasmin zu schaffen sowie einer politischen Verfolgung entgegen zu sehen – ein Überleben dieser Familie ist dort nicht möglich.

Die Abschiebung widerspricht auch ganz klar der Aussage des Ausschusses der Vereinten Nationen:

„Der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes hat dazu festgestellt, dass das Recht auf Überleben und Entwicklung nur in einem ganzheitlichen Ansatz durch die Umsetzung aller anderen Bestimmungen des Übereinkommens verwirklicht werden kann, einschließlich des Rechts auf Gesundheit, angemessene Ernährung, soziale Sicherheit, einen angemessenen Lebensstandard, eine gesunde und sichere Umgebung, Bildung und Spiel.“

Dies ist de facto nicht gegeben.

Zuguterletzt hat Jasmin Anspruch auf eine „Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen“, da sie an einer „ernsthaften physischen oder psychischen Erkrankung“ leidet – auf Basis der DUBLIN-II-Regelungen.

Aus diesem Grund sprechen wir uns entschieden gegen eine Abschiebung von Jasmin Ibragimova, ihrer Mutter Zezag Ibragimova und ihrer 2-jährigen Schwester nach Tschetschenien oder Russland aus und ersuchen Sie, eine Aufenthaltserlaubnis auszustellen, um eine angemessene medizinische Behandlung für Jasmin zu gewährleisten.

Mit freundlichen Grüßen,

• Ekkehard Maaß, Deutsch-Kaukasische Gesellschaft (http://www.d-k-g.de), Berlin/Germany
• Mairbek Vatchagaev, Head of the Caucasian Studies Association (http://www.chechen.org), Paris/France
• Marsho Magazine – Editorial Board (http://www.marshodergisi.blogspot.de), Turkey
• Murad Batal Al-Shishani, Political Analyst, Writer & Expert on Islamic Groups in the Middle East and North Caucasus, London / United Kingdom
• Save Chechnya Campaign (http://www.savechechnya.org), Paris/France
• Waynakh Online (http://www.waynakh.com)

Kontaktdaten
E-Mail: HelpJasminIbragimova@gmail.com
Mobile: 0049-174-2131397
Fax: 0049-6221-6041-60

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