Auf Splitter gekratzt

Auf Splitter gekratzt
Autor: Sultan Jaschurkaew
Verlag: Kitab; Auflage: 1., Aufl. (7. Juli 2008)
ISBN-10: 3902585226
ISBN-13: 978-3902585226
468 Seiten
In seinem von Splittern getroffenen Haus in Grosny notiert Sultan Jaschurkaew tagebuchartig, was er im ersten Tschetschenien-Krieges sieht und hört. Gleichzeitig hinterfragt er die Gründe, die dem alten Konflikt zwischen Tschetschenien und Russland zugrunde liegen. Im historischen Kontext zeichnen sich Fakten und Einsichten ab. 1995 stehen die Tschetschenen vor Sein oder Nichtsein. Im Rhythmus der Schüsse, in Fragmenten hält er die Geschichte seines Volkes fest, seine Kultur, Traditionen, sein Streben nach Freiheit. Er schreibt emotional, oft leicht ironisch. Kriegsgeschehen, reale und fiktive Gespräche, Assoziationen, essayartige Reflexionen, biographische Reminiszenzen, Episoden aus tschetschenischen Überlieferungen verdichten sich zu einem einzigartigen Zeitdokument. Aus dem Schreiben schöpft der Autor Lebenskraft. In Gefechts- und Schreibpausen kümmert er sich um Haus und Hof, seine Tiere, Brennholz, Trinkwasser. Beim Nachsinnen reflektiert er: Weshalb töten Menschen Menschen?
Über den Autor
Historische Gesetzmässigkeiten kennen keine Ausnahmen. Jedes Volk muss die ihm auferlegten Zyklen durchstehen. Andernfalls muss es wieder eine Runde zurück… In Tschetschenien, wie in Russland, ist eine klassische soziale Ausdifferenzierung zwischen Arm und Reich in Gang. Der Vorgang dürfte ähnlich sein wie seinerzeit bei den Germanen, Franken und anderen. Die heutigen Autoritäten entstehen nach denselben Gesetzen wie damals die Barone, Herzöge, Könige… Wer ist König? Aus historischer Sicht ist er die höhere „Autorität“ als der Herzog, denn es gelang ihm, seine Tätigkeit mit staatlichen und nationalen Interessen zu koppeln. Der Herzog steht höher als der Baron, ist aber im Vergleich zum König ein Pechvogel. Betrachtet man die menschliche Geschichte, so beginnt sie mit Plünderungen und Raub. Dann teilen die Räuber die Beute unter sich, werden zur herrschenden Klasse, bilden einen Staat, legen gute Sitten, Etikette, Moral, Ethik fest und erlassen Gesetze, damit die andern ihre Beute nicht anrühren. Sie bauen Theater, damit es ihnen nicht langweilig wird, füttern Dichter und Philosophen und machen sie im Hofstaat zu Narren… Kurz, sie schaffen vieles… Hinter unserem Chaos stehen dieselben Gesetzmässigkeiten – die Vergangenheit der einen wiederholt sich in der Gegenwart von anderen. Unser Heute ist ein rund tausend Jahre verzögertes Mittelalter. Im Westen hat die Umverteilung der Güter vor langem stattgefunden. Russland ist sozusagen das Land der zyklischen Umverteilung. Heute ist wieder eine an der Reihe. Wer sich in den Prozess einschalten kann, betreibt Umverteilung – die Demokraten, die frühere Nomenklatura, die Deputierten, Minister, die Diebe nach Gesetz wie nach Scharia. Damit alles nach „Konzept“ abläuft, bringt das Volk sich selbst um, wie es sich gehört… Das ist nichts Neues. Im 10. Jahrhundert betrieben hier die Waräger Umverteilung, im 13. Jahrhundert die Mongolen, später die Polen, nach ihnen die Romanows, die umverteilten, was von den Wassilys und schrecklichen Iwans übrig geblieben war. Ihnen „verordneten“ die Bolschewiken Umverteilung, den Bolschewiken die Demokraten.
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