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Religion

Lange Zeit haben die Tschetschenen natürliche Gottheiten angebetet, insbesondere den Sonnengott Malkha-Dela, dessen Name im Tschetschenischen als allgemeiner Begriff für Gott erhalten blieb. In den Gebirgsregionen heißen die Gräber bis heute Sonnen-Grab, bezeugen uralte Felszeichnungen mit Sonnensymbolen den Sonnenkult. Einer der ältesten Stammesverbände (Tukhum) ist der Mälkhi (Menschen der Sonne). Weitere Götter der Waynachen (Tschetschenen und Inguschen) waren der Feuergott Ziu-Dela, der Jagdgott Elta, die Göttin der Fruchtbarkeit Tuscholi und die Göttin des Hauses Erda. Und es gab die Göttin der Wahrheit Dika-Dela, die Friedensgöttin Kchokha-Dela und den Gott des Ortes Pkha-Dela. Bis heute erinnert man sich in Tschetschenien an ein Ritual der Beschwörung des Regengottes Khin-Dela.

Eine Gruppe Kinder zieht von Haus zu Haus, einen Jungen mit sich führend, der eine wasserdichte Tasche über den Kopf stülpt. Sie schreien: Schick ein Gewitter, Gott des Regens! Die Bewohner des Gehöfts übergießen den Jungen mit Wasser und verteilen Süßigkeiten an die Kinder.

Es gibt keine Hinweise darauf, dass Tschetschenien Verbindungen pflegte zum Christentum in Armenien, Georgien und dem kaukasischen Albanien. Jegliche missionarische Versuche stellten sich als erfolglos heraus, wie zum Beispiel die der Araber, die im 7. Jahrhundert versuchten, den Islam zu verbreiten.

Die Art, wie der Islam heute in Tschetschenien praktiziert wird, der Sufismus der Naqschbandi und die Kadiri-Tariqas (Orden), kamen im späten 18. Jahrhundert aus Dagestan. Die Essenz des Sufismus ist eine enge Bindung zwischen dem Gelehrten (Murid – der Sucher) und dem Lehrer, den Scheichs. Der Scheich verspricht, den Muriden zu einer mystischen Erfahrung mit Gott zu verhelfen und am Tag des Jüngsten Gerichts für ihn zu sprechen. Der Muride zeigt Ergebenheit und Demut gegenüber dem Scheich und erhält Anleitungen zu allen Fragen der Religion und des Lebens. Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob der Sufismus bereits von Scheich Mansour Ushurma gelehrt wurde, der den ghazavat (heiligen Krieg) auf der Grundlage von strikter, religiöser Moral und der Scharia (Islamisches Gesetz) organisierte, gegen die Eroberung von russischen Ungläubigen in den Jahren 1785 bis 1791. Ab 1825 begannen die Tschetschenen, die religiösen Führer aus Dagestan Mullah Mohammed, Ghazi Mohammed und Imam Schamil zu unterstützen. Schamil errichtete in Tschetschenien und Dagestan einen theokratischen Staat mit einem religiösen Fundament. 40 Jahre lang setzten sie sich zur Wehr gegen den zaristischen Expansionismus. Es zerfiel letztendlich, da es zu autokratisch war für die tschetschenische Vorstellung von Freiheit, erschwert durch Inkompatibilitäten zwischen der Scharia und dem Adat, und zweifellos der Ohnmacht, die angesichts Russlands unermüdlicher Armeen vorherrschte.

Während der Sowjet-Ära wurde die Religion schwer unterdrückt, aber überlebte in kleinen Tariqas, genannt Virds, die unterschiedliche Heilige anbeteten und manchmal sogar untereinander feindlich gesinnt waren. Die Deportation der Tschetschenen in den Jahren 1944 bis 1957 trug zum Entstehen eines kollektiven, tschetschenischen Nationalitätsgefühls bei und zu einer Erneuerung der Verbindungen mit dem Islam. Der Kadiri-Orden spielte dabei eine große Rolle. Nach der Rückkehr in den Kaukasus, wurde der Sufismus – der viele volkstümliche Traditionen aufgesogen hatte –zunehmend durch die Staatsbehörden und dem KGB infiltriert. Fast alle Muftis (religiöse Führer), denen es gestattet wurde zu studieren, waren KGB-Offiziere. Die abgeschwächte Form des Islam ist insbesondere für die jungen Tschetschenen inakzeptabel. Sie finden größere Anziehung in der radikalen Erneuerung des Islam, angestrebt durch den Wahhabismus, der die Einheit Gottes, die absolute Gewalt des Korans und der Propheten, die strengen Regeln der Scharia, die Gleichheit vor Allah aller Gläubiger betont und das Ende von häufig naiven Volkstraditionen vorantreibt.

Besonders interessant, die frühen Wahhabi-Prediger in Tschetschenien – wie Adam Deniev – waren KGB-Agenten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Wahhabismus in den frühen 90er Jahren durch den KGB benutzt wurde, um dem Wiederaufleben des volkstümlichen Islams entgegenzuwirken. Während der Tschetschenienkriege wurde der Wahhabismus vor allem durch Spenden und Freiwilligen aus Saudi Arabien gefördert.

Natürlich hinterlassen 70 Jahre sowjetische Herrschaft Spuren der Säkularisierung. Es gibt viele atheistische Tschetschenen, die die islamische Tradition nur deshalb befolgen, weil es ein fester Bestandteil der sich neu formenden nationalen Identität ist.