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Achmed Sakajew: “Putin braucht Kadyrow für die Drecksarbeit”

Bereitgestellt von am Friday, 20 March 2015.    726 views Kein Kommentar
Achmed Sakajew: “Putin braucht Kadyrow für die Drecksarbeit”

Tschetschenischer Exil-Präsident erhebt im Gespräch mit der “Wiener Zeitung” schwere Vorwürfe gegen Putin – und sieht Spaltung im Kreml.

“Wiener Zeitung”:Tschetschenen-Oberhaupt Ramsan Kadyrow bekommt derzeit von Präsident Putin höchste Orden – zu einer Zeit, als einer seiner Untergebenen Hauptverdächtiger im Mordfall Nemzow ist. Was steckt dahinter?

Achmed Chalidowitsch Sakajew: Solange Putin im Kreml sitzt, wird Kadyrow weiter Orden bekommen. Das gleiche hatten wir schon nach der Ermordung von Anna Politkowskaja. Auch da wurde Kadyrow verdächtigt. Und Putin ernannte ihn prompt zum Präsidenten Tschetscheniens. Das war ein klares Zeichen an die Strafverfolger: Dass sie nicht in die Richtung Kadyrow ermitteln dürfen. Das gleiche haben wir jetzt mit den Orden nach dem Nemzow-Mord – sie sind ein Signal, Kadyrow nicht anzufassen.

“Wiener Zeitung”: Warum?

Achmed Sakajew: Kadyrow ist Putin treu ergeben. Er tut nur das, was Putin will oder ihm befiehlt. Kadyrow macht keinerlei eigenständige Schritte. Deshalb fördert ihn Putin. Mit Orden, mit Geld, mit Ämtern.

“Wiener Zeitung”: Hat Kadyrow etwas mit dem Nemzow-Mord zu tun?

Achmed Sakajew: Wenn die Verdächtigen, die jetzt im Gefängnis sitzen, wirklich die Täter sind, dann geschah der Mord auf Befehl von Kadyrow. Und der konnte nur auf Befehl Putins handeln.

“Wiener Zeitung”: Schwere Vorwürfe. . .

Achmed Sakajew: Nein. Denn einer der Verdächtigen sagt ja, er sei mit Folter zu seinem Geständnis gezwungen worden. Man muss also erst mal abwarten. Genau weiß ich aber eines: Kein Einziger aus Kadyrows Bataillonen hätte ohne Unterstützung der russischen Geheimdienste einen Mord begehen können an diesem Ort, vor dem Kreml.

“Wiener Zeitung”: Es gibt Gerüchte über heftige Konflikte zwischen den Geheimdiensten, weil vielen Putins Vorliebe für Kadyrow nicht gefällt.

Achmed Sakajew: Wir haben es erstmals mit einer Spaltung in Putins Mannschaft zu tun. Viele Generäle sehen es sehr zwiespältig, dass Putin Kadyrow so fördert. Und dass Kadyrow immer betont, er sei Putin persönlich ergeben, ohne Rücksicht auf sein Amt. Das widerspricht der Hackordnung. Die russischen Generäle sind an die Vertikale der Macht gewöhnt; Kadyrow verletzt diese Regeln. Zudem wissen sie, dass er für viele Verbrechen verantwortlich ist.

“Wiener Zeitung”: Welche?

Achmed Sakajew: Von den 18 regionalen Polizeichefs in Tschetschenien sind 14 landesweit zur Fahndung ausgeschrieben. Auch gegen Kadyrow gibt es zwei Ermittlungsverfahren. Die Geheimdienstler suchen einen passenden Moment, um Putin von Kadyrow zu befreien. Nach dem Nemzow-Mord gab es so einen Versuch – auch, indem sie Kadyrow für die Tat verantwortlich machten.

“Wiener Zeitung”: Will Putin wirklich von Kadyrow befreit werden?

Achmed Sakajew: Nein. Deshalb bleibt alles, wie es ist.

“Wiener Zeitung”: Wozu braucht Putin Kadyrow?

Achmed Sakajew: Weil er die Drecksarbeit macht, was auch immer Putin fordert. Und weil er in Putins Augen für Stabilität in Tschetschenien steht. Putin hat ihm erlaubt, in Tschetschenien zu machen, was er will. Die Menschen dort leben in Angst und Schrecken.

“Wiener Zeitung”: Wie stabil oder fragil ist die Lage in Tschetschenien eigentlich derzeit tatsächlich?

Achmed Sakajew: Es ist eine Pseudostabilität. Die Menschen leben in Angst und Erwartung von grundlegenden Veränderungen. Die kleinsten Zeichen von Schwäche – und die Situation explodiert, nicht nur in Tschetschenien, sondern im ganzen Kaukasus. Der ist ein wahres Pulverfass.

Zur Person: Achmed Chalidowitsch Sakajew

ist ein tschetschenischer Schauspieler und gegenwärtig Ministerpräsident der tschetschenischen Exilregierung. Er genießt Asyl in Großbritannien.

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