Dschihad im Kaukasus
Dschihad im Kaukasus: Antikolonialer Widerstand der Dagestaner und Tschetschenen gegen des Zarenreich (18. Jahrhundert bis 1859)
Autor: Clemens P. Sidorko
Verlag: Reichert (30. November 2007)
ISBN-10: 3895005711
ISBN-13: 978-3895005718
520 Seiten
Der Abwehrkampf der Muslimvölker Nordkaukasiens gegen das vordringende Russland fiel bereits früh mit religiösen Reformbewegungen zusammen. Die Studie untersucht Voraussetzungen und Entwicklung dieses Prozesses bis zur Staatsschöpfung des legendären Imam Samil. Neben dem Abriss der Ereignisgeschichte stehen v.a. die Zusammensetzung von Anhängerschaft und Eliten des Widerstands sowie die Organisationsstrukturen des Imamatstaats und seine Ausgestaltung als Lebenswelt im Zentrum der Analyse.Die blutigen Auseinandersetzungen, welche seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion zwischen Moskauer Zentralmacht und kaukasischer Teilrepublik Tschetschenien toben, bilden historisch gesehen nur die neuerliche Kulmination eines viel älteren und niemals gelösten Konflikts: Bereits als das russische Zarenreich im Verlauf des 18. Jahrhunderts Kaukasien zu erobern begann, erwuchs ihm in dessen nordöstlichem Teil bei Tschetschenen und Dagestanern erbitterter Widerstand. Waren ihrem Kampf anfangs nur kurze Erfolge beschieden, gelang es zwischen 1829 und 1859 die in zahlreiche Sprachgruppen und Herrschaftsformen zersplitterten Völkerschaften Nordkaukasiens im Zeichen des Dschihad (Kampf für den Islam) gegen das Vordringen des Zarenreichs zu vereinen und unter dem charismatischen Imam amil ein von der islamischen Scharia geprägtes Staatswesen aufzubauen. Die Schrift stellt Entwicklung und Funktionsweise von Dschihad und Imamat, einschließlich ihrer Wurzeln und Vorläufer dar. Detaillierte Ereignisgeschichte wird dabei mit der Analyse übergeordneter Strukturen verknüpft.
Ausgangspunkt der Untersuchung ist die kritische Diskussion und Interpretation sämtlicher Quellen: insbesondere der erhaltenen Selbstzeugnisse der kaukasischen Muslime, von denen viele erst in den letzten Jahren zugänglich geworden sind, sowie bisher wenig beachteter Berichte zumeist polnischer Kriegsgefangener und Deserteure, die zeitweise in amils Staat lebten. Der Vergleich dieser Materialien mit den russischen Quellen, welche das traditionelle Bild der Forschung prägten, eröffnet eine doppelte Perspektive auf das Geschehen und ermöglicht so ein Urteil aus übergeordneter Warte.
Zu den Ergebnissen der Studie zählt ferner die Entlarvung zahlreicher Stereotypen und Mythisierungen, die sich bis in die seriöse Forschung hinein mit dem Dschihad der Imame verbinden. Clemens P. Sidorko legt mit seinem Buch zum ersten Mal im deutschen Sprachraum eine streng historische Gesamtdarstellung der Kaukasuskriege vor. Zu einigen Schwerpunkten der Arbeit – etwa der eingehenden Schilderung des Imamatstaats als Lebenswelt – existiert in der Forschung bisher nichts Vergleichbares.
Ãœber den Autor
Clemens P. Sidorko studierte slavische Philologie, osteuropäische Geschichte und Islamwissenschaften an den Universitäten Basel und Zürich. 1989 Lizentiat in Basel. 2006 wurde er im Fach osteuropäische Geschichte in Zürich promoviert. Forschungsschwerpunkte liegen auf der Geschichte der Muslime in Osteuropa (besonders Kaukasien) sowie die Beziehungsgeschichte Osteuropas und des Vorderen Orients.
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